Kein Bullet Journal ohne Reflexion oder: Warum ich mich in Beständigkeit üben musste.

Beständigkeit ist ein Thema, das mich schon sehr lange begleitet. Ich bin ein Mensch, in dessen Brust zwei Herzen schlagen. Einerseits bin ich bei vielen Dingen kein besonders beständiger Mensch. Das hat seine Gründe vor allem in meiner Vergangenheit und meinen Erlebnissen, mit denen ich mich seit dem Führen eines Bullet Journals intensiv auseinandergesetzt habe. Wenn ich aber eine Sache mache, dann brenne ich dafür. Wenn ich einen Menschen liebe, dann aus ganzem Herzen und ehrlich und aufrichtig. Menschen haben mich

schon oft enttäuscht. Ich dachte deshalb ich könnte niemandem mehr vertrauen. Das Bullet Journal aber hat mir mit allem was es schon für mich getan hat gezeigt, dass der Grund ganz woanders liegt.

Ryder hat diesem Thema in seinem Buch ein ganzes Kapitel gewidmet und ich habe es immer und immer wieder gelesen. Immer und immer wieder entdecke ich neue Facetten an diesem Thema und jeder macht für sich einen Weg aus, der ihm hilft, sich selbst zu verstehen, ob mit oder ohne Bullet Journal.

Mein Tag ist immer eine Achterbahn der Gefühle. Ich verrate jetzt an dieser Stelle mal, warum das Thema Mental health so wichtig ist. Ich habe Borderline. Eigentlich kenne ich nur zwei Farben, schwarz und weiß. Ich kenne nur Helden und Feinde. Es gibt Tage, da merke ich, dass es mich wahnsinnig macht, immer nur in Schubladen zu denken. Wenn man als Kind als erstes lernt, dass es zum Alltag dazu gehört, verlassen und gehasst zu werden, ist es normal, dass man als Erwachsener nicht unterscheiden kann, wer es ehrlich mit einem meint und wer nicht. Und das ist nur ein Abriss meiner Geschichte.

Warum ich das an dieser Stelle erzähle? Ryders Erklärungen zur Reflexion haben mich gelehrt, dass es eben nicht nur zwei Farben gibt. Ich habe durch die Reflexion verstanden, dass das Nichtbeantworten einer Nachricht nicht bedeutet, dass derjenige nicht mehr mit mir sprechen möchte. Vielleicht ist er einfach gerade beschäftigt, mit sich, mit seiner Arbeit oder seinen Aufgaben. Es bedeutet nicht, dass mich jemand nervig findet. Vielleicht fährt er gerade Auto oder kümmert sich um seine Familie. All das sind Dinge, die ich vorher nie berücksichtigt habe, weil ich diese Seite der Medaille nicht kannte.

Was aber ist Reflexion und wie funktioniert sie?

Dazu jetzt mehr.

Reflexion im Alltag und ihre Verwendung

Ryders Grafik findest du in seinem Buch auf S.156. Das ist meine Zeichnung, so wie ich sie für mich ins Bullet Journal übernommen habe um sie festzuhalten.

Das was hier so künstlerisch erscheint, ist die Kunst, die Reflexion im Alltag umzusetzen. Das ist nicht einfach, wenn man weiß, wie stressig der Alltag als Schüler, Selbstständiger, Manager, Arbeiter oder Hausfrau/-mann ist. Also jeder von uns hat mittlerweile einen stressigen Alltag, nicht zuletzt durch die sozialen Medien, die unseren Tagesplan bestimmen. Aber ich habe mich von Ryder dazu motivieren lassen, mir diese Auszeit von der Technik zu nehmen und mich nur mit meinem schwarzen Fineliner und meinem Almanach hinzusetzen und mich mit mir und meinen Gedanken auseinanderzusetzen.

Zeit für’s Überdenken, Zeit für Pläne, Zeit zur Migration

Ryder zeigt, dass es drei verschiedene Arten der Reflexion gibt. Ich habe alle drei versucht in meinen Alltag einzubauen. Wie funktioniert das? Das allerwichtigste ist die Zeit, die ich mir abends nehme um zu überlegen, was ich am Tag erreicht habe. Meistens schaffe ich es, zwischen der Reflexion am Abend und der Zeit, in der ich mich morgens hinsetze, um mir Gedanken über meinen Tag zu machen, mein Handy oder andere elektronische Geräte nicht mehr zu benutzen. Ich gebe zu, dass das nicht immer klappt, aber das was Ryder “Digital-Detox-Kur” nennt, hat mir geholfen wirklich den Kopf frei zu bekommen. Es bringt niemanden weiter, morgens die Augen aufzumachen, und als erstes die Likes auf Instagram und die Mails zu checken.

Wenn ich es schaffe täglich meinen Tag zu überdenken und Pläne zu machen, versuche ich noch am Ende des Monats meine Einträge in den Dailies, Monthlies und im Future Log noch einmal durchzuschauen und zu filtern, was wirklich wichtig ist und nochmal mitgenommen werden muss. Am Ende eines Monats habe ich schon oft gemerkt, dass manche Sachen nicht sinnvoll waren und nehme sie dann auch nicht mit.

Mit den Einträgen ist es wie mit manchen Menschen im Leben. Ich habe mir mal Menschen auf eine Liste geschrieben und überlegt, wie der Kontakt zu der Person war. Hat sich jemand lange nicht gemeldet? Habe ich mich lange nicht gemeldet? Gut das hat noch nicht viel zu bedeuten. Es kann wie am Anfang gesagt unterschiedliche Gründe geben. Wenn mir jemand wirklich wichtig ist, versuche ich die Person zu erreichen und herauszufinden, was der Grund ist. Man kann nicht immer erwarten, dass andere sich melden und selbst nichts dafür tun. Ich liebe wie gesagt mit ganzem Herzen, wenn ich liebe.

Vor kurzem hat mich jemand sehr verletzt und für mich ist derjenige sozusagen erst einmal geparkt. Ich beende eine Freundschaft nicht einfach, aber ich bettele in so einer Situation auch nicht um Aufmerksamkeit. Wenn mir jemand gerade so deutlich zu verstehen gibt, dass er mich nicht mehr in seinem Leben haben möchte, muss ich das akzeptieren. Das bedeutet aber nicht, dass mir die Person plötzlich egal ist. Für meine Reflexion bedeutet das, dass ich mich immer wieder frage, wie wichtig mir diese Person ist und ob ich weiter bereit bin zu warten.

Und dann gibt es da noch einen anderen Menschen, der mir immer wieder hilft wo er nur kann. Ich habe dennoch keinen Anspruch auf diese Person. 💛 Dennoch hat mir mein Kopf einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich habe ein Nicht-Melden als nicht mehr mögen definiert, weil hier Erfahrung über Verstand gesiegt hat. Da kann ich reflektieren, so viel ich will. Es ist nutzlos. Nein, stop, eigentlich nicht, denn die Erkenntnis ist auch schon viel wert. Dennoch will ich ehrlich sein. Reflexion löst nicht alle erlernten Verhaltensmuster in Luft auf. Ich kann aber immer wieder in meinen Daily Log schreiben, dass ich daran denken muss, dass es eben nicht nur mich auf der Welt gibt.

Nennen wir die beiden eben erwähnten Personen mal A und B, oder nein, S und R. Nur weil S mich absichtlich verletzt hat, bedeutet das nicht, dass R das genauso tut. Die Reflexion kann einem helfen, Verhaltensweisen von anderen aufzunehmen und zu verstehen, die eigenen zu analysieren und zu verstehen, dass niemals zwei Menschen das gleiche aus dem gleichen Beweggrund tun. Auch ich tue ein und dieselbe Sache an zwei Tagen nicht aus demselben Beweggrund. Weil S mich verletzt hat, darf ich R nicht unterstellen, dass er mich verletzen will. Das ist so abstrus, aber es ist das, was ich als Kind als erstes gelernt habe.

Mein Umfeld, und damit meine ich meine “Familie”, meine Mitschüler, meine Lehrer und meine Nachbarn, haben immer wieder Dinge getan, um mich zu verletzen, zu zerstören und mir zu zeigen, dass es keinen Grund gibt, warum ich auf der Welt bin. Diese Aussage mag den ein oder anderen jetzt vielleicht schocken, aber er ist die traurige Wahrheit, der die Welt eines Kindes beschreibt. Und genau weil ich dieses Kind heute nicht mehr bin, hat sich auch mein Umfeld geändert.

Als S mich so verletzt hat, dass ich mich wieder gefragt habe, warum ich eigentlich noch auf der Welt bin, war die erste Frage: “Habe ich etwas falsch gemacht?”. Das ist das Kind in mir, dass sich selbst die Schuld an seiner Vergangenheit gibt. Der Mensch in mir, der sich durch Ryder Caroll zum positiven verändert hat, hat sich dann gefragt: Warum hat S sich so verändert? Ist irgendwas in seinem Leben passiert, dass dieses Verhalten ausgelöst hat? Daraus folgte die Entscheidung, die Zeit abzuwarten und zu hoffen, dass S irgendwann kommt und mir sagt, dass das nichts mit mir zu tun hatte. Und R hat mir die Augen geöffnet und mir gezeigt, dass sein Verhalten nichts mit mir zu tun hat.

Das ist also ein Beispiel, wie Reflexion dir helfen kann, an deinen Gedanken zu arbeiten. In der Realität kämpfe ich auch oft mit meinen Gedanken, aber die schreibe ich dann in meinen Daily Log und weiß am Abend oder am Ende des Monats, dass manche Gedanken einfach von meinem alten Ich kamen, das ich nicht mehr sein will, das aber ein Teil von mir ist.

Wow. Dieser Artikel war wieder ehrlich ohne Ende. Aber das muss sein, denn nur wer beim Thema Bullet Journal ehrlich mit sich selbst ist, kann die Methode so nutzen, wie Ryder sie sich gedacht hat. Das Bullet Journal ist kein schöner Kalender, kein Trend, den man gerade mitmachen muss, sondern eine Methode, die den Kopf reinigt und einem hilft, die eigene Vergangenheit zu verstehen, die Gegenwart zu ordnen und die Zukunft zu gestalten.

Was aber wenn im Bullet Journal Fehler passieren? Brauchen wir Perfektion? Welche Methoden gibt es laut Ryder mit Fehlern umzugehen? Darum geht es im nächsten Artikel.

Bis dahin wünsche ich dir alles Gute.

Liebe Grüße

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