Wabi-sabi oder: Warum das Bullet Journal Fehler braucht, um ein Bullet Journal zu sein.

In den letzten Wochen wurde ich immer wieder in YouTube Videos oder Blogbeiträgen mit der Frage konfrontiert, wie man Fehler im Bullet Journal korrigieren kann. Ich habe eine klare Meinung dazu. Gar nicht. Wenn man Ryder Caroll verstanden hat, gehören Fehler genauso zum Bullet Journal, wie zum Leben.

Ryder hat diesem Thema in seinem Buch ein ganzes Kapitel gewidmet und ich habe es schon mehrere Male gelesen. Mir ist bei diesem Kapitel wieder ganz besonders der poetische Schreibstil aufgefallen. Er sagt die Dinge aber dennoch nicht durch die Blume. Man muss nur seine Ausdrucksweise verstehen lernen.

Er hat dieses Kapitel “Unvollkommenheit” genannt. Das trifft es ziemlich gut, denn für mich ist dieser Begriff nicht zwangsläufig negativ. Er zeigt nur, das etwas nicht perfekt ist. Und hier kommen wir zum Kern der Sache.

In meinem ersten Blogbeitrag zum Thema Perfektion hatte ich dieses Kapitel noch nicht berücksichtigt. In seinem Buch auf Seite 256 beschreibt er Perfektion als ein schädliches Konzept. Wir stellen dieses Konzept auf, aber es gibt nichts was diesem Konzept standhält. Wir definieren ein Idealbild, das es in unserem irdischen Kontext nicht gibt.

Wenn wir uns Perfektion wünschen, nehmen wir uns die Chance an uns zu arbeiten und Fortschritte zu machen. Ich weiß, dass das sehr widersprüchlich klingt, aber in den weiteren Absätzen dieses Beitrags werde ich darauf eingehen und diesen Punkt jetzt mal direkt auf’s Bullet Journal beziehen.

Viele, die mit dem Bullet Journaling anfangen, geben zu schnell auf, weil sie sich an der Perfektion von Instagram und Pinterest messen. Sie nehmen sich damit die Chance, herauszufinden, was das Bullet Journal in ihrem Kopf verändern kann. Wenn ich eine Collection, eine Idee auf Instagram, YouTube oder Pinterest sehe, denke ich heute nicht mehr, dass es bei mir genauso aussehen muss. Und sollte der Gedanke doch mal in meinem Kopf aufkommen, versuche ich ihn wieder zu verscheuchen. Ich mache die Idee dann zu meiner und versuche die Collection in meinem Stil umzusetzen.

Auch ich wäre fast am Bullet Journal gescheitert, weil ich es nicht ertragen konnte, dass die Linien nicht gerade waren. Meine ersten Handletterings waren furchtbar und meine erste Zeichnung vor knapp einem Jahr, war alles andere als schön. Heute sehe ich sie als Teil meines Weges und meiner Entwicklung, die mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich jetzt bin.

Auf Fehler im Bullet Journal bezogen bedeutet das einfach, sie so zu lassen. Sie zu überkleben oder zu übermalen nimmt einem die Chance, später noch einmal über den Fehler nachzudenken. Ich meine damit nicht, dass man sich endlose Vorwürfe machen muss wegen des Fehlers. Ich habe mir angewöhnt bei einem größeren Fehler auf der nächsten Seite noch einmal von vorn anzufangen und mir auf der Seite, auf der der Fehler passiert ist zu vermerken, warum er passiert ist. Ich schreibe beispielsweise, dass ich nicht konzentriert war, weil ich abgelenkt war oder weil ich einen Schritt nochmal üben muss oder Ähnliches.

Aber zurück zu Ryder und seinen Gedanken zum Thema Fehler. Unser fehlgeleitetes Denken über Fehler und Perfektion ist einer der häufigsten Gründe dafür, warum wir uns selbst hassen. Und genau das ist einer der Punkte oder Gedanken, dem das Bullet Journal entgegen wirken soll. Ich habe auch mit dem Bullet Journal begonnen, weil ich mich selbst besser verstehen wollte. Andere fangen an, weil sie sich besser organisieren wollen. Das bedeutet, dass das Bullet Journal dir helfen soll, ein besserer Mensch zu werden. Auf den Zug aufzuspringen, weil es gerade ein Trend ist, ist wenig sinnvoll.

Mit Perfektion oder dem Wunsch danach machen wir uns unsere Erfolge zunichte. Ryder nennt noch drei weitere Punkte. Wir vereiteln unsere Pläne, fallen zurück in kontraproduktives Verhalten und nähren unseren inneren Kritiker. (Caroll, Ryder: Die Bullet Journal Methode, S. 256.)

Versagen ist aber nicht das Gegenteil von Perfektion. Das ist ein weiterer Irrtum in unserem Denkmuster. Unser Leben besteht nicht nur aus 1 und 0, schwarz und weiß und Helden und Feinden.

Ryder benutzt hier einen japanischen Begriff: wabi-sabi. Dabei handelt es sich aber nicht nur um ein Wort, sondern es steht ein ganzes Konzept dahinter. Es ist die japanische Wahrnehmung von Schönheit. In unserer westlichen Denkweise gehen wir davon aus, dass Schönheit mit Perfektion gleichzusetzen ist. Dieses japanische Wort zeigt aber, dass die Schönheit eines Gegenstandes in seiner Unvollkommenheit liegt.

Das japanische Zeichen für wabi-sabi

Ich bin zwar kein Buddhist und ich bin auch weit davon entfernt so zu leben, aber mir gefällt der Gedanke, dass uns Weisheit zuteil wird, wenn wir mit unserem fehlerhaften Wesen Frieden schließen. Auch das bedeutet deshalb nicht, dass wir nicht mehr an uns arbeiten müssen, sondern es wird so leichter für uns, Fehler als Teil unserer Geschichte anzunehmen.

Das war jetzt sehr tiefgründig. Was heißt das aber für die Praxis? Darauf wird ein weiterer Artikel eingehen. Jetzt aber wünsche ich dir noch einen schönen Tag, einen schönen Abend oder eine gute Nacht, wann auch immer du diesen Artikel liest.

Deine Madlen

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